GALANTERIE & VERFLOSSENHEIT

Rezension zu «Die Stadt der kleinen Wunder» (Radio Popov) von Anja Portin

Erneut ein in Finnland groß ausgezeichnetes Buch, welches Dank der Übersetzung Stefan Mosters nun auch auf Deutsch vorliegt: 2020 erhielt die finnische Autorin Anja Portin für ihr Werk den Finlandia Junior. Was der renommierte Finlandia-Preis (Finlandia-palkinto) für Belletristik ist, ist bzw. war der Finlandia Junior – heute der Lasten- ja nuortenkirjallisuuden Finlandia – für Kinder- und Jugendbücher.

Marc Eric Mitzscherling

09. Jänner 2024﹒Wien

Erzählt wird die Geschichte von Alfred, der von den eigenen Eltern und eigentlich der ganzen Welt allein und im Stich gelassen wird. Der ganzen Welt? Nein, es gibt auch noch Gutherzigkeit in dem Städtchen: Amanda, eine vielbeschäftigte und vielseitige Person, kümmert sich um ebensolche «vergessene Kinder». Als Alfred ihr eines Nachts folgt, nimmt dessen Leben eine rasante und unverhoffte Wendung. Vom Außenseiter wird er zum Helden einer kleinen, neuen Welt.

Während die Geschichte mit wenigen Überraschungen eher als mustergültiger Jugendroman eines gesellschaftlichen Außenseiters ein wenig unspektakulär daherkommt, erfreuen doch die vielen kleinen Details und Exkurse der Handlung: Noch heute schätze ich es, wenn es Literatur schafft, vielseitig zu inspirieren. Und das gelingt Anja Portin auf jeden Fall. Das Buch liest sich mitunter als eine Einführung in die Pomologie, gibt einen Abriß der Geschichte des Radios und verflechtet ein wenig Magie mit dem trüben Alltag.

Zudem widmet sich das Buch einem argen Thema unserer Gesellschaft: dem alleingelassenen Kind. Inwieweit der Roman dieses Problem gelungen kontextualisiert sei dahingestellt; für ein Kinderbuch ist die Verarbeitung des Themas gut gelungen.

Zudem wird die Geschichte mit Illustrationen von Jade van der Zalm begleitet, welche in der Gesamtschau jedoch eher enttäuschen: Die Handlung, die Charaktere und alles Situative sind so klar und eingängig beschrieben, dass jedes gegebene Bild eigentlich nur eine Absage an die eigene Fantasie ist. Auch, da sich das Buch an schon fortgeschrittenere Leser richtet. So erinnern die Illustrationen eher an die Clipart-Grafiken aus dem Englisch-Lehrbuch und sind für das Werk kein großer Gewinn. Ganz anders das sehr gelungene Buchcover.

Alles in allem, ist es eine schöne (Weihnachts-)Geschichte: ein ernstes Thema verpackt in die Vielseitigkeit unserer Welt und einem großen Funken Hoffnung für das Gute im Menschen. Zwar sind die Feiertage schon vorbei. Aber das nächste Fest steht ja schon bald wieder ins Haus. Und warum nicht früher, als später mit dem Geschenkesammeln beginnen. Dieses Buch wäre jedenfalls unter Beachtung der obigen Hinweise einen Kauf wert.

﹒ ﹒ ﹒

Portin, Anja: Die Stadt der kleinen Wunder. Radio Popov. Aus dem Finnischen von Stefan Moster. arsEdition 2023. 288 Seiten. 978-3-8458-5247-8, 11,99€.