GALANTERIE & VERFLOSSENHEIT

Paläographie in der digitalen Lehre – und es funktioniert doch

Mit beidem tut man sich schwer: Sowohl mit dem Digitalen in der universitären Lehre als auch der Ausbildung in den historischen Grundwissenschaften. Dieser Beitrag soll in Form eines multiperspektivischen Erfahrungsberichts Erfolgsmethoden bewerben und zu mehr Grundwissenschaften – exemplarisch an der Paläographie – in der universitären Lehre motivieren.

Marc Eric Mitzscherling

21. Dezember 2022﹒Erfurt/Dresden

Warum dieser Text?

Ich sage gerne: Meckern kann man immer. Gerade auch, wenn ich mit meinen Kommilitonen im Gespräch über Sinn und Unsinn von Lehrveranstaltungen, -inhalten und -formaten bin; wobei anzumerken ist, das ich oft auch zu den größeren Kritikern der geselligen Runden zähle.

Eine meiner etwas paradoxen Hauptkritiken – erwachsen aus meinen ganz eigenen Erfahrungen während des Studiums – lässt sich unter dem Leitsatz «Fehlende Spezialisierung bei fehlendem Grundwissen» zusammenfassen. So hatte ich – gerade im Grundstudium – z.T. recht spezielle und auf chronologisches Jahreszahlensammeln ausgelegte Seminare und Übungen; Vorlesungen einmal außen vor gelassen. Gleichzeitig war es vielen meiner Kommilitonen während des Schreibens der Bachelorarbeit nur möglich vor allem auf Grundlage mit Sekundärliteratur oder Editionen zur Recherchieren. Selbstverständlich soll es nicht der Anspruch einer Bachelorarbeit sein Archivreisen zu veranstalten und laufende Meter an Akten zu konsumieren. Aber selbst wenn es Freunde von mir hätten machen wollen: ihnen fehlte schlichtweg das Grundwissenschaftliche Wissen.

Jetzt fragt es sich: Hatte ich denn keine klärenden Einführungsveranstaltungen? Doch hatte ich. Aber hier kommen wir zum zweiten Problem. Meine erste Paläographische Übung kam nach den ersten Seiten ausgeschriebener Kurrentschrift schon ins Stocken, da wir nicht über exemplarische Seiten aus Süß’ Lehrbuch hinausgekommen sind. Wie sollte es auch anders sein, wenn man in einem rappelvollen Seminarraum immer reihum geht. Denn das Interesse ist durchaus bei Studierenden vorhanden.

Zudem passiert es oft und gerne – gerade bei der Grundwissenschaftlichen Ausbildung vom Einen ins Andere abzudriften. Was ich durchaus als interessant, zweckdienlich und nicht negativ darstellen möchte. Nur braucht es eben auch bei der ein kommentierten Transkription einer mittelalterlichen Urkunde ein heute lesbares Datum, was wiederum voraussetzt, dass man sich der entsprechenden Hilfsmittel bedienen zu weiß oder grundlegende Aspekte des Aufbaus des Kirchenjahres und der Liturgie vermittelt. Wenn man dann ein Datum um die Osterfeiertage vorliegen hat, ist man ganz schnell beim Stand des Mondes und anderen wichtigen Fragen der Chronologie.

Da geht mir das Herz auf – meine Begeisterung für die Historischen Grundwissenschaften beispielhaft an einem Aktendeckel aus dem sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden.

All das sind eigene Erfahrungen, die ich gemacht habe. Dazu zählt aber auch, dass ich nun in meiner mittlerweile dritten «puren» Paläographischen Übungen zum fünften Mal erklärt bekomme, wie Papyrus und Pergament hergestellt und verwendet wurden. Die erste Einführung hierzu hatte ich schon im in der ersten Klasse des Gymnasiums, wo der Lehrplan – zumindest in Sachsen – bereits eine Einführung zu Papyrus im Alten Ägypten vorsieht. Und alles rund ums Pergament hatte wurde meiner Klasse einige Jahre später durch unseren interessierten und motivierter Geschichtslehrer – außerhalb des Lehrplans – vermittelt.

Zu diesen Erlebnissen treten dann Lernmomente der digitalen Lehre während der Einschränkungen der universitären Lehre in den letzten Jahren hinzu. Hier gab es neben – wie zu erwartenden – nicht so überzeugenden Konzepten auch wirkliche Aha-Momente. Seminare oder Übungen die man mit Vorfreude auf die nächste Sitzung verließ und man das Gefühl hatte, aktiv etwas getan und gelernt zu haben.

Nachdem ich nun im Master erneut Seminarkonzepte kennenlernen konnte, die mich nicht überzeugt und eher enttäuscht zurückgelassen haben – denn wenn ich für eine Sache in den Geschichtswissenschaften brenne, dann sind es die Historischen Grundwissenschaften; insbesondere Aktenkunde und Paläographie – kam mir die Idee für diesen Text. Um aus Sicht eines a) Studenten und Teilnehmer von Lehrveranstaltungen, aber auch b) Veranstalters eigener Kurse und c) zudem zertifizierten eTutors der Universität Greifswald mit tiefergehendem Interesse an den Grundwissenschaften und digitalen Werkzeugen neue Perspektiven auf eine Facette der Grundausbildung angehender Historikerinnen und Historiker zu eröffnen: Dem Paläographie-Seminar. Oftmals etwas stiefmütterlich behandelt – wie alle Abteilungen der Historischen Grundwissenschaften – aber grundlegend wichtig für die spätere Forschung. Denn fast immer braucht es für die Arbeit mit den (archivischen) Quellen mindestens Grundwissen, wie man vorgehen kann.

Dieses Kapitel beschließend möchte ich mindestens noch die «Quellen meiner Erfahrungen» nennen, um einerseits einem allumfassenden Anspruch meiner Ausführungen, Kritik und Kenntnisse gleich von Anfang an entgegenzuwirken und um anderseits einen Überblick zu geben, wo möglicherweise die eine oder andere Inspirationsquelle im universitären Raum zu verorten wäre. Da wäre zum einen das Historische Institut der Universität Greifswald, an welcher ich drei Jahre zu meinem Bachelor-Abschluss studiert habe und zwei Paläographische Übungen belegen konnte. Ebenfalls in Greifswald wurde ich am Lehrstuhl für Fennistik als eTutor ausgebildet. Zudem habe ich eine Veranstaltung am Institut für Österreichische Geschichtsforschung (IfÖG) besucht und war als Erasmus-Student für ein Semester an der Universität Helsinki. Dieser Beitrag ist damit weniger auf didaktische Studien und Fachliteratur gestützt und profitiert viel mehr von Positiv- als auch Negativbeispielen aus dem Lehrbetrieb in Verbindung mit eigenem Betätigen und Interesse.

Die ideale (digitale) Paläographische Übung

Natürlich provoziert dieser Titel. Keineswegs hat dieser Beitrag den didaktischen Stein der Weisen für die Ausbildung im Lesen von alten Schriften gefunden. Aber wie oben dargestellt, werden hier viele positive und praktikable Beispiele zu einem Idealtyp digitaler Lehre in den Historischen Grundwissenschaften kulminiert.

Mustergültig: Die Kursziele

So wie es ein Verzeichnis von Lehrveranstaltungen auch tut: Was sollen die Ziele dieser hier kartierten Übung sein? Einerseits erste Kenntnisse im Lesen heute nicht mehr gebräuchlicher Handschriften im deutschsprachigen bis hin zum europäischen Raum; idealerweise für den Einstieg Fähigkeiten im Lesen von Kurrentschriften der letzten Jahrhunderte. Im besten Fall bietet die Veranstaltung auch Teilnehmern mit ersten Kenntnissen die Möglichkeit, ihr Wissen auch zu erweitern oder auszubauen. Denn wie auch bei Sprachkursen kann man nie erwarten, dass alle Teilnehmer zu Beginn eines Grund- oder Einstiegskurses den gleichen Kenntnisstand haben. Die Frage muss vielmehr lauten, wie man auch den fortgeschritteneren Teilnehmern etwas anbieten kann – und sei es nur zur Festigung und zum Ausbau des bereits erworbenen Wissens. Eine Übung bietet hier natürlich mit der Wiederholung schon erste Ansatzpunkte.

Der Einstieg – Praxis vor der Theorie

Fahrschulen würden mit diesem Lernkonzept sicherlich die Türen eingerannt werden – noch mehr, als es sowieso schon der Fall ist. Warum die Praxis der Theorie voranstellen? Praxis meint hier zweiterlei: Einerseits das Vorstellen von Werkzeugen und Ressourcen, um gleich von Anfang an den Teilnehmern Möglichkeiten und Module eines möglichen Workflows vorzustellen. Denn wenn man erst einmal eine Vorstellung praktikabler Ressourcen hat, fällt das Arbeiten und Auswählen von Hilfswerkzeugen – die sich auch in der Paläographie anbieten – umso einfacher.

Andererseits hilft es der Lehrperson oder dem Kursleiter die Schwerpunkte der kommenden Sitzungen zu setzen, wenn in der ersten Sitzung eine erste praktische Transkription durchgeführt würde. So kann abgeschätzt werden, wie der Kenntnisstand im Kurs ist und entsprechende Dokumente für die kommenden Sitzungen können ausgewählt werden. So haben auch die Kursteilnehmer – im besten Fall – erste motivierende Erfolge. Denn genauso schön, wie es ist, in einem fremden Land, dessen Sprache man lernt, ein Gespräch von Passanten oder die Werbung an der Haltestelle zu verstehen, kann es sein, wenn man einen scheinbar kryptischen Text entziffern konnte.

Ein Schriftmuster für eine Text in Sütterlin (Wikimedia).

Aus Erfahrung bieten sich für eine solche erste Transkription Schulaufsätze in Sütterlin (das dürfte in den wenigsten Fällen eine große Schwierigkeit sein) oder schön ausgeschriebene Rezepte aus dem vorigen Jahrhundert. Letztere machen meist auch Spaß zu lesen und motivieren damit zeitgleich, sich durch den unleserlichen Zeichensalat zu kämpfen. Denn es ist schon spannend, wie der Krebs in Paprika-Kruste zubereitet wird

Anders lief es in einer meiner ersten Übungen, wo wir eine Kurzgeschichte Hermann Löns in sauber ausgeschriebener Kurrent (aus dem Lehrbuch Harald Süß’) lasen. Abgesehen von der Tristesse die der Text zeichnete, war spätestens nach der vierten Beschreibung eines Busches oder Baumes die Spannung beim Großteil der Kursteilnehmer verflogen. Für die erste Stunde bietet sich vielleicht auch noch die Verwendung von einem Lehrbuchtext an, aber spätestens für die folgenden Termine motivieren «echte» Quellen ungemein mehr.

Neben der ersten Lesepraxis hatte ich bereits die Einführung in und Vorstellung von praktischen Tools für die Arbeit mit handschriftlichen Texten erwähnt. Viele Übungen stellen diesen Block häufig an das Ende des Kurses – gerade bei älteren Lehrpersonen ist die «Angst» groß, der allgemein faule Student würde sich eine Menge Arbeit mit Transkribus oder ähnlichen HTR-Anwendungen ersparen. Ich sehe es vielmehr als transparente Kommunikation im Kurs, diese Anwendungen am Anfang vorzustellen. Denn warum soll man Hilfsmittel verbieten? Im Sprachkurs verbietet man auch nicht das Wörterbuch, um die Teilnehmer zum Vokabellernen zu motivieren. Ganz im Gegenteil: Gerade die Webversion von Transkribus – Transkribus Lite – kann in Momenten der «Transkriptionsverzweiflung» hilfreiche Dienste leisten und beugt das vollkommene Sistieren vor.

Auswahl an Tools, die vorgestellt werden können

Mit Transkribus wurde schon eine Anwendung, die vorstellungswürdig wäre, genannt. Insbesondere Transkribus Lite und der schnelle und einfache «Online-Übersetzer» (weiter unten auf der Seite). Weniger sollten der technische Hintergrund und die Funktionsweise im Zentrum stehen – das ist mit einer kurzen Ausführung zum Training verschiedener Modelle getan – als vielmehr, wie die Anwendung verwendet werden kann: Wie wähle ich das richtige Modell aus und wie bekomme ich das Digitalisat überhaupt zur automatischen Texterkennung. Vielleicht auch mit dem Hinweis, dass Transkribus schon viel lesen kann, aber eben nicht alles. Und wer das Lesen tatsächlich lernen möchte, sollte so die Anwendung mehr als Hilfe verstehen, denn als «Hausaufgabenerfüller».

Ähnliches eines UI-Designs, wie man es von GoogleTranslate oder deepl kennt, bietet auch Transkribus ein "Übersetzung-Tool".

Des Weiteren – für Studenten so viel hilfreicher als Transkribus – die Anwendung Tropy zur Verwaltung von Digitalisaten und zum Anfertigen ersten Transkriptionen. Viele meiner Dozenten kannten das Programm auch nicht – dabei ist es so viel praktikabler als eine verwinkelte Ordnerstruktur im Finder oder Windows Explorer, um seine Digitalisate und die entsprechenden Transkriptionen und Notizen zu verwalten.

Hier vielleicht einige praktische Hinweis, für diejenigen, die das Programm auch noch nicht kennen sollten – wobei ich auch kein Experte bin, es aber aufschlussreiche Tutorials und eine hilfreiche Dokumentation online gibt. Zum einen können in den Notizen zu den jeweiligen Bildern mit einem Rechtsklick ins Notizenfeld Zeilenummern eingeblendet werden, was für die Transkription sehr hilfreich sein kann. Des Weiteren das praktische Feature – gerade auch, wenn man auf aktenkundliche Aspekte von Dokumenten zu sprechen kommt – mit dem Auswahl-Tool in der Toolbar über den Digitalisat bestimmte Stellen im Digitalisat markiert und somit abstrahiert betrachten zu können [Passenden Screenshot einfügen]. Zu guter Letzt der Hinweis, dass es sich bei der Arbeit mit Tropy anbietet, die Digitalisate/Bilder, die man in sein Projekt importiert in einem festgelegten Ordner im Windows Explorer/Finder abspeichert und nicht mehr bewegt; denn sonst muss der hinterlegte Pfad in Tropy bei jedem Verschieben erneut konsolidiert werden. Denn – und das ist einer der Vorteile von Tropy – alle Änderungen die am Digitalisat in Tropy vorgenommen werden, überschreiben nicht die Originaldatei.

Tropy ist mittlerweile meine erste Wahl geworden, wenn es um die Organisation und Transkription von Archivfotos geht; aber auch die Digitalisate aus den Paläographischen Übungrn wurden und werden eingepflegt.

Zwei alleinstehende Werkzeuge, auf die ich noch verweisen möchte. Zum einen einen tesseract. Für eine Paläographische Übung im eigentlichen Sinne nicht von Relevanz, aber vielleicht ein – sollte das Publikum technikinteressierter sein – recht hilfreiches Tool. Mit diesem Programm, was in der Kommandozeile läuft – und abgesehen von der Installation – für jeden «Normalnutzer» einfach in der Anwendung ist, können PDF-Dateien OCR-gelesen werden, sodass «normale» Scans am Ende nach der Bearbeitung mit «richtigem» Text hinterlegt sind. Gerade, wenn es an die erste Seminararbeit geht und die Fotos aus der Bibliothek den Handyspeicher wieder anschwellen lassen, kann das eine ganz nützliche Anwendung sein. Das aber nur am Rande.

Eine exemplarische Zeichenübersicht der Schriftart Elstob.

Zum zweiten – ebenso eher eine «Orchidee» im Paläographie-Seminar – eine Einführung in Schriftarten und Unicode. Dieser thematische Einschub ist möglicherweise auch meinem «Feldzug» gegen Times New Roman als Standartschriftart im akademischen Bereich geschuldet, den ich bisher nicht ganz unerfolgreich gekämpft habe. So sind die Schriftarten Elstob und Junicode eines emeritierten Professors für Medieval English literature der University of Virginia, die sich z.T. auf den Empfehlungen der Medieval Unicode Font Initiative gründen, nicht ganz uninteressant. Denn besonders für Kursteilnehmer, die nicht in erster Linie aus der Geschichtswissenschaft kommen und beispielsweise mit Altnordischen Texten, älteren deutschsprachigen Quellen oder Vergleichbarem zu tun haben, kann diese Schriftart durchaus sehr praktisch sein, da sie viele Sonderzeichen, Ligaturen und ähnliches – gerade für mittelalterlichen Quellen – beinhaltet.

Ebenso ein Verweis auf den Zeichenumfang von Unicode kann hilfreich sein (Insbesondere auf die Website unnicode-table.com). Ein guter einführender Aufhänger könnten an der Stelle auch Emojis sein, die ja schlussendlich nichts anderes sind. Natürlich kann man 1/4 in einer Transkription schreiben, aber ¼ wirkt – in meinen Augen – ein wenig professioneller.

Im Zuge der Vorstellung der Schriftarten und Unicode kann beispielsweise didaktisch auch in die Transkriptionsregeln – unter dem Motto «Was transkribiere wie und was nicht» – eingeführt werden.

Die Transkription – Herzstück der (digitalen) Übung

Das eigentlichen Herzstück einer jeden Paläographischen Übung ist aber das Lesen handschriftlicher Texte und das Anfertigen einer entsprechenden Transkription. Gerade in einer digitalen Übung lässt sich hier hervorragend arbeiten: Entweder hat man selber spannende Archivalien fotografiert oder man findet gute Beispiele in diversen Lehr- und «Schrifttafel»-Werken. Andererseits: Warum digitalisieren so viele Archive, Bibliotheken und Museen sowie andere kulturelle Gedächtnisinstitutionen ihre Bestände; auch hier findet sich ganz sicher etwas. Weiters kann auch im Kurs gefragt werden, ob von Seiten der Teilnehmer Schriftstücke beigesteuert werden können und wollen. Gerade für den Anfang der Übung sind auch «Großmutters Rezeptbücher» ein guter Einstieg.

Den Schwerpunkt hier möchte ich aber auf jeden Fall auf das Digitalisat im Allgemeinen legen. Einerseits, weil es sich in einer digitalen Übung, wie sie hier konstruiert werden soll, anbietet. Andererseits aber auch im allgemeinen Lehrbetrieb: Ein Kursteilnehmer kann mit einem – bestenfalls vor dem Kurs in einer digitalen Lehrumgebung wie Moodle oder in einer Cloud, auf den der Kurs Zugriff hat abgelegt – Digitalisat wesentlich mehr anfangen, als mit einer ausgedruckten Kopie, die während der Veranstaltung ausgeteilt wird. Zum einen ist eine Kopie nun einmal nicht das Original – ein Digitalisat auch nicht, aber eine höhere Auflösung und Funktionen, wie das Hineinzoomen, erleichtern die Arbeit enorm. Ferner können die Kursteilnehmer selber entscheiden, wie sie sich organisieren. Während der Ausdruck nur schwerlich retrodigitalisiert organisiert werden kann – beispielsweise, um ihn im eigenen Tropy-Projekt abzulegen – und ein solches Digitalisat vom Digitalisat sehr große Qualitätseinbußen hätte. Zudem kann bei Digitalisaten wesentlich einfacher die Herkunft nachvollzogen werden: der Ausdruck ist oft nur eine Kopie – ein Digitalisat kann verlinkt werden. Teilnehmer, die dennoch lieber mit Papier arbeiten, haben jederzeit die Möglichkeit, die bereitgestellten Dateien auszudrucken.

Das Zauberwort für eine erfolgreiche Paläographische Übung heißt dann gelungene Kollaboration. Denn es ist durchaus schwer, jedem die Möglichkeit zu ermöglichen, zu lesen. Es sei denn, man möchte, wie im oben dargestellten Kurs enden, wo Reih um gelesen wird und der Rest der Teilnehmer derweil mehr oder minder desinteressiert folgt. Ebenso groß ist die Hemmschwelle, besonders am Anfang, sich mit seinen Ergebnissen zu melden. Kontraproduktiv ist es dann, wenn die Dozentin oder Dozent den transkribierten Text monologisiert – noch schlimmer, wenn es sich dabei beispielsweise um eine lateinische Quelle handelt und ein Großteil des Kurses resigniert abschaltet.

Wie nun aber aktive Partizipation im Unterricht fördern? Kleinere Kurse haben hier sicherlich den Vorteil, dass in einem oftmals kollegialeren und engeren Umfeld, die Inhalte einfacher organisiert werden können. Doch tatsächlich bieten sich auch große Gruppen an. Wie genau soll das funktionieren?

Die Tools der digitalen Lehre haben gezeigt, dass auch online große Gruppen (inter-)agieren können. Sei es eine digitale Konferenz oder auch ein Seminar über Zoom. Ferner besteht auch die Möglichkeit, große Gruppen in kleinere Gruppen zu teilen. Und durch postwendende Synchronisation von Daten können viele Personen ein Dokument bearbeiten, was vormals gar nicht möglich gewesen wäre.

So weit die abstrahierte Theorie. In der Praxis gibt es Werkzeuge und Plattformen, die all diese Möglichkeiten bündeln. Ja, es gibt Zoom. Und ja, Zoom ist stabil, beliebt und funktioniert in den meisten der Fällen. Aber es gibt auch andere Plattformen, die sich insbesondere für unsere Paläographische Übung anbieten. Eine davon ist BigBlueButton (BBB), welche Open Source ist und unter anderem auch an der Universität Greifswald verwendet wird. Vorteil ist beispielsweise, dass BBB recht einfach in die weit verbreitete Lehrplattform Moodle integriert werden kann. Aber warum und wie nun mit BBB arbeiten?

Transkribieren mit BigBlueButton

Vorab: Wer nicht BigBlueButton über (s)eine Universität oder in anderem Zusammenhang nutzen oder aufsetzen kann, für die gibt es das ganze – mit Einbußen in der Übertragungsqualität – frei verfügbar auf der Seite Senfcall.

Screenshot der Moderator-Ansicht in einer fiktiven Paläographischen Übung über BigBlueButton mit hochgeladenem Digitalisat im Mehrbenutzer-Modus.

Die Funktionen, die bei dieser Anwendung für unsere Übung im Zentrum stehen, sind die geteilten Notizen, das gemeinsame Arbeiten, Breakrooms und die Möglichkeit, PDF-Präsentationen zu teilen. Gehen wir am besten Schritt für Schritt in der Reihenfolge der Anwendung die verschiedenen Tools und Funktionen durch.

Nachdem die Sitzung begonnen wurde und nun ein Digitalisat transkribiert werden soll, muss dieses erst einmal als «Präsentation» hochgeladen werden. Sollen mehrere Seiten/Dokumente gelesen werden, bietet es sich an, alle in einer Datei zusammenfügen (hier gibt es verschiedenen Online-Tools, die das können, wenn man nicht gerade Adobe Acrobat Reader verfügbar hat; bspw. Sejda oder Small PDF ). Diese Datei kann dann über das +-Icon im linken Bereich hochgeladen und angezeigt werden (die ausführlichen Schritte hierzu finden sich auch in der Online-Dokumentation von BBB). Bei Anzeigen ist dann darauf zu achten über das ↔︎-Icon das Digitalisat auf volle Breite anzupassen, damit es leserlich ist. Andernfalls kann über das +- oder - -Symbol gezoomt werden. Zudem kann das Digitalisat auch für die Teilnehmer direkt in BBB zum Download bereitgestellt werden.

Nach einer kurzen Besprechung des Dokuments werden die Teilnehmer in Breakoutrooms aufgeteilt mit ca. 4 Personen pro Gruppe – die Gruppengröße hängt natürlich auch von der Gesamtzahl der Teilnehmer ab. Die Teilnehmer erhalten den Auftrag, einen bestimmten Teil des Dokuments zu transkribieren; jede Gruppe einen anderen Teil, um nach der Gruppen-Session die gesamte Transkription zusammenzupuzzlen.

Vorteil bei BBB ist, dass die hochgeladene Präsentation automatisch in die Breakoutrooms überspielt wird – sodass sich die Teilnehmer nicht noch einmal gesondert um das Digitalisat bemühen müssen und diese Zeit gespart wird.

In den Gruppen transkribieren die Teilnehmer den jeweiligen Teil des Dokuments und halten ihre Ergebnisse – hier das zweite äußerst praktische Feature BBBs – in den sogenannten geteilten Notizen fest. Der Vorteil: Alle Teilnehmer der Gruppe können gleichzeitig Änderungen und Formatierungen vornehmen. So ist jeder angesprochen mitzuwirken.

Sollte eine Gruppe ihr «Soll» schon vor Ablauf der Gruppenarbeitszeit fertigstellen, ist der Vorteil der Aufteilung des Dokuments in mehrere Teile, dass die Gruppen einfach weitere Teile transkribieren können. Denn am Ende soll im besten Fall ein konstruktiver Diskurs zu den jeweiligen Gruppentranskriptionen entstehen.

Bevor die Gruppenarbeitszeit abläuft, kopiert einer der Gruppenteilnehmer die Ergebnisse aus den geteilten Notizen oder lädt diese herunter, um sie zu sichern und im Anschluss wieder zu kopieren.

Am Ende der Sitzung kann der Dozent die kulminierten und diskutierten Ergebnisse herunterladen und gleich im Anschluss neben dem bereits online bereitgestellten Digitalisat zur Verfügung zu stellen.

Zurück im gemeinsamen «BBB-Raum» können alle Gruppen ihre Ergebnisse – in der Reihenfolge des Digitalisats – in die geteilten Notizen kopieren. Die Gesamtdiskussion und das Vergleichen der Ergebnisse ist eröffnet.

Transkribieren ohne BigBlueButton

Bevor wir näher auf die Gesamtdiskussion zu sprechen kommen: Die oben skizzierte Arbeit mit BBB lässt sich auch ohne diese Plattform realisieren. So kann zur Videotelefonie auch jegliches andere vergleichbare Tool verwendet werden (Jitsi, WebEx, Whereby, Zoom, AdobeConnect). Die meisten dieser Plattformen unterstützen auch Gruppenarbeitsräume. Sollte es diese Funktion geben, können beispielsweise auch der Gruppenanzahl entsprechend weitere Räume erstellt werden und die zugehörigen Links im öffentlichen Chat geteilt werden; mit der Vereinbarung, nach einer gewissen Zeit aus den Gruppen zurückzukehren.

Statt der geteilten Notizen gibt es auch andere Optionen, zusammenzuarbeiten. Sei es ein geteiltes Office365-Word-Dokument oder ein Pages-Dokument in iCloud. Sicherlich am praktikabelsten ist der Rückgriff auf ein frei im Netz gehostet Etherpad, wie beispielsweise youpad.eu. Oftmals hat auch schon die Lernplattform Moodle, die an vielen Universitäten genutzt wird, ein Etherpad-Modul integriert.

Gesamtdiskussion der Gruppentranskriptionen – Chancen und Möglichkeiten

Nach der Gruppenarbeitsphase haben alle Gruppen ihre Ergebnisse in die gemeinsamen geteilten Notizen eingespielt. Nun folgt eine durch den Dozenten oder Kursverantwortlichen moderierte Diskussion der Gruppen bzw. Kursteilnehmer. Des Weiteren gibt es nun auch Raum für Fragen aus den Gruppen: etwas war unleserlich, es sind Fragen zum Inhalt oder anderweitiger Themen aufgekommen. Der didaktische Vorteil jetzt auf Fragen einzugehen ist, dass sich die Gruppen in ihrer Selbstarbeitsphase erst einmal alleine mit den aufgetreten Fragen und Problemen auseinandersetzen mussten und so im besten Fall eine bereits vorab diskutierte Frage in den Raum gestellt wird.

Weitere Funktionen von BBB – um bei dieser Plattform als Anschauungsbeispiel zu bleiben – können nun zum Einsatz kommen. Der Gemeinsame Chat, um schnell – ohne Wortmeldung – beispielsweise über Schreibweisen abzustimmen oder alternative Vorschläge zur Schreibung eins Wortes, etc. einzuwerfen; ehe alle gleichzeitig das Mikrofon aktivieren. Die Lehrperson kann so auch postwendend auf kleinteilige/kurze Antworten reagieren. Keineswegs soll diese Bemerkung aber ausschließen, dass sich die Kursteilnehmer gar nicht zu Wort melden. Die gemeinsame Gruppendiskussion lebt ja gerade von der aktiven Beteiligung – auch in Form ausführlicher Wortmeldungen. 


Um die Wortmeldungen moderiert und geregelt ablaufen zu lassen, bietet BBB auch hier wieder in praktisches Feature (andere Plattformen, wie Zoom o.Ä. selbstverständlich auch): Über den eigenen Namen in der linken Teilnehmerliste kann man einen Status setzten – so zum Beispiel die Hand heben. Die entsprechenden Teilnehmer werden dann in der List chronologisch nach gehobener Hand dem Moderator – im dem Falle dem Dozenten – angezeigt.

Ferner können die Kursteilnehmer und Gruppenmitglieder untereinander abseits der Hauptdiskussion im jeweiligen Privaten Chat mit einem andren Teilnehmer schreiben. Natürlich besteht hier die «Gefahr», dass auch über für den Kurs nicht relevante Themen, wie das Essen in der Mensa geschrieben wird. Nur den Austausch untereinander ganz zu unterbinden scheint mir unpraktisch, weil so nur gemeinsame Chat oder die Wortmeldung als Austauschraum bleibt – oftmals führt dies zwangsläufig zu einer geringeren Beteiligung: Die Unsicherheit über eine vermeintlich falsche Antwort könnte beispielsweise größer sein. In meinen Augen bietet es sich an, dass die Lehrperson einfach auf die entsprechenden Features hinweist, sodass diese einerseits von den Teilnehmern aktiv genutzt werden und andererseits transparent kommuniziert wurde, dass auch der Dozent um diese Funktion weiß, sie als praktisch erachtet, sie aber jederzeit mit dem Gefühl des Missbrauchs (Mobbing, etc.) deaktivieren kann; was durchaus in den den jeweiligen Einstellungen der Sitzung möglich ist.

Ein letztes praktisches Feature, was nur ausgewählte Kollaborationsplattformen in dieser Form anbieten ist das sogenannte Multiuser Whiteboard. Dieses kann vom Dozenten bzw. Moderator zentral (de-)aktiviert werden. Mit dieser Funktion ist es möglich, dass alle Kursteilnehmer auf dem angezeigten Digitalisat (im Normall auf der Präsentation) zeichnen oder mit einer Pointer zeigen können. Viel Zeit wird gespart, anstatt in der Diskussion auf den Buchstaben links unter dem geschwungenen n in der dritten Zeile von unten schräg rechts über dem Wort «mögen» zu verweisen.

Vorab: Wer nicht BigBlueButton über (s)eine Universität oder in anderem Zusammenhang nutzen oder aufsetzen kann, für die gibt es das ganze – mit Einbußen in der Übertragungsqualität – frei verfügbar auf der Seite Senfcall.

Screenshot des Portals Ad Fontes der Universität Zürich, welches umfangreiche Ressourcen zu den Historischne Grundwissenschaften bündelt.

Gerade in einer digitalen Sitzung bietet es sich an, auch weitere digitale Ressourcen als «Input» neben der Transkription hinzuzuziehen. Wie bereits oben dargestellt ist eine Paläographische Übung nur in der Lehrbuchfantasie eine reine Transkriptionsübung. Oftmals müssen weitere Aspekte ge- und erklärt werden. Als Beispiel hatte ich die Datierungen genannt. Sicherlich ist es nicht ganz unpraktisch, den «physischen» Grotefend zu zeigen und kurz in seiner Funktionsweise zu erklären. Aber genauso wenig, wie man heute noch lehrt, wie mit einer Kartei in der Bibliothek Recherche betrieben werden kann, nützte es, den digitalen Grotefend vorzuenthalten oder die Verwendung des Buches vorzuziehen. So könnte eine exemplarische Aufgabe lauten, mithilfe des digitalen Gotefends das Datum einer Quelle zu bestimmen. Ausführungen zum Kirchenjahr, Heiligentagen, römischer Zeitrechnung oder zur Liturgie können immer noch hinzugefügt werden, um zu vermitteln, wie die Zeitrechnung funktioniert. Nur mir erscheint die praktische Anwendung gerade im Lehrbetrieb wesentlich essentieller: Denn der frisch gebackene Absolvent im Archiv wird sicher nicht über die religiöse Herleitung eines Datums einer Urkunde philosophieren, sondern möchte möglichst direkt zu einem Ergebnis kommen, um mit der Arbeit fortzufahren.

Gerade durch umfangreiche Crowdsourcing und Abschlussarbeitsprojekte, wie sie zum Beispiel mustergültig auf dem Portal Ad fontes der Universität Zürich gebündelt werden, können im Zuge der Transkription und des Kurses vorgestellt und auch aktive hinzugezogen werden. Seien es Tabellen der Herrscher und Osterfeiertage des bereits hinzugezogenen digitalen Grotefents (hier in einer zweiten Version hervorgegangen aus einem Masterprojekt an der Universität Graz) oder auch der Capelli online, um die ein oder andere Abkürzung abzulösen.

Meine Prämisse bei einer «idealen» Übung ist, dass die Teilnehmer am Ende «etwas Eigenes zum Mitnehmen bekommen»; sicherlich meinen frühen Erfahrungen in der Museumspädagogik geschuldet, wo Kindergarten- und Schulgruppen am Ende der Führung fast immer etwas Gebasteltes mit nach Hause nehmen konnten.

In der Paläographischen Übung ist dieses Ziel nicht schwer zu erreichen. Zum einen bekommt jeder Teilnehmer am Ende des Kurses eine fertige Transkription der behandelten Quelle, die dann beispielsweise in das für den Kurs angelegte Tropy-Projekt beim entsprechenden Digitalisat in die Notizen kopiert werden kann.

Andererseits können aber auch, wie bereits am Anfang gezeigt, weitere hilfreiche Tools – auch für die Anwendung außerhalb der Sitzungen – mit an die Hand gegeben werden. Sei es die Verwendung von Transkribus, tesseract oder auch Kenntnisse in der Formatierung von Text/Transkriptionen und die Verwendung von Junicode oder anderen Schriften anstelle von Times New Roman.

Hausaufgaben. Muss das sein?

Eine letzte Frage bleibt; denn vor dem Kurs ist nach dem Kurs: Wie mit der Vor- und Nachbereitung und Hausaufgaben umgehen? Ohne Vor- und Nachbereitung kommt ein geisteswissenschaftliches Studium kaum aus – aber welche Aufgaben kann man geben, und was nützt diesem hier konstruierten Kurs eher weniger.

«Paläographische Hausaufgaben» dem Wortsinn nach – also ein Scan, der bis zur nächsten Sitzung transkribiert werden soll – erscheint eher als die «harte» Form der Hochschuldidaktik. Sicherlich ist eine solche Aufgabe nicht ohne Nutzen, kann aber auch zermürbend sein und kostet auch den Kurs Zeit, wenn die Ergebnisse der Hausübungen am Anfang einer neuen Sitzung verglichen werden müssen. Der eine Teilnehmer gibt bei einer anspruchsvolleren Handschrift auf, der andere investiert wertvolle Zeit an der falschen Stelle und ein dritter spielt an Transkribus rum, um dann mit mäßigen Ergebnissen den Abgleich im Kurs in die Länge zu ziehen.

Realitätsnäher erscheint, den Studenten und Kursteilnehmern – sie sind ja schon erwachsen und nicht mehr die Grundschüler, denen man noch Lehrbücher ohne Lösungsteil an die Hand gibt – Digitalsate mit Lösung zu geben, um im Kurs nur noch aufgetretene Unklarheiten zu besprechen. Ein hervorragendes Tool, wenn man als Kursleiter nicht jede Woche erneut Seiten aus einem der diversen Schrifttafelbücher scannen möchte, ist das Portal «Digitale Schriftkunde» der Bayrischen Archivschule. Hier kann nach Epochen kategorisiert ein Digitalisat ausgewählt werden, selber gelesen und später Wortgetreu die Transkription nachvollzogen werden.

Screenshot des Portals Digitale Schriftkunde der Bayrischen Archivschule, die u.a. zeilengenaue Verknüpfungen von Digitalisat und Transkription bietet. Die Transkriptionen können – im Falle der Übung – auch ausgeblendet werden.

Ferner spricht für diese Hausübungsvariante – und an dieser Stelle muss man ehrlich sein – die fluktuierende Anwesenheit der Kursteilnehmer. Studenten kommen nicht zu jeder Sitzung; was nicht heißen muss, dass sie keine Interesse haben. Es gibt an den meisten deutschen Universitäten keine Anwesenheitspflicht mehr – daher ist es nicht sehr dienlich, Kursinhalte im großen Rahmen zwischen den Sitzungen aufeinander zu beziehen. Wer die Transkription als Hausübung der letzten Woche nicht gemacht hat – dem nützt auch der Vergleich am Beginn der der kommenden Sitzung wenig. Dann lieber mit allen Anwesenden die Zeit im Kurs für die aktive Praxis nutzen. Natürlich, es ist ein Luxusproblem – noch dazu, wenn diese Ideen aus dem Mund eines Studenten kommen – aber aus der Perspektive von Studenten und letztendlich auch Dozent ist es ein guter Kompromiss: Bessere und vor allem umfangreichere Ergebnisse im Kurs und Teilnehmer die wiederkommen und nicht aufgeben, weil sie den Sinn nicht sehen, nach ein- oder zweimaligen Fehlen Abgleiche der Ergebnisse anzuhören, bei denen sie nicht mitreden könne. Auch das kann demotivieren.

Zu guter Letzt: Nicht umsonst wird das geisteswissenschaftliche Studium gerne auch als Buchstudium dargestellt. Lektüre über die Theorie scheint als Aufgabe zwischen den Sitzungen wesentlich zweckmäßiger, um einerseits längere Ausführungen in der wertvollen Kurszeit zu sparen und andererseits idealerweise Theorie für die praktische Anwendung in der nächsten Sitzung an die Hand geben zu können. Hier bietet sich beispielsweise auch die Bereitstellung entsprechender aktenkundlicher Kapitel aus einer der Meisner-Ausgaben – gerade im Bezug zu preußischen Quellen – oder, ein wenig zeitgemäßer aber dennoch auf der Meisner’schen Trias bestehend aus Analytik, Genetik und Systematik basierend, Michael Hochedlingers Akten- und Urkundenlehre der Neuzeit. Neben durchaus sinnstiftenden aktenkundlichen Einschüben bieten sich aber selbstverständlich auch schriftgeschichtliche Exkurse und Vertiefungen an. Hier kann für die neuere Literatur stellvertretend Karin Schneiders Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten genannt werden; die sich ebenso gut für das Studium von angehenden Historikern eignet.

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Abschluss und Ausblick

Mit den Hausaufgaben wurden nicht nur die prototypische Paläographie-Sitzung beschlossen, sondern auch die Ausführungen in diesem Beitrag. Was möchte dieser Beitrag erreichen und was nicht?

Der Beitrag richtet sich an alle, die sich in einem Beziehungsgefüge zur universitären Lehre, der digitalen Hochschuldidaktik oder den Historischen Grundwissenschaftlichen Ausbildung sehen. Dabei möchte er gerne basierend auf viele guten und weniger guten Erfahrungen mit den als besser empfundenen Eindrücken und Methoden inspirieren. Die hier genannten Werkzeuge eigenen sich selbstverständlich auch für jede andere Lehrveranstaltung und können dort genauso gut wie hier adaptiert werden.

Zudem möchte dieser Beitrag für die Möglichkeiten, den Nutzen und auch die Freude mit und in (digitalen) Paläographischen Übungen – und generell (digitalen) Übungen – sensibilisieren und motivieren. Besonders die Grundwissenschaftliche Ausbildung ist in den letzten Jahren sehr in den Hintergrund getreten – ganze Lehrstühle geschlossen oder zusammengeschrumpft. Dabei sind gerade die Historischen Grundwissenschaften der sooft als Werkzeugkasten stilisierte Methodenapparat, der in vielen Teile dezidierte historische und quellenbezogene Forschung ermöglicht. Und durch mannigfaltige Projekte und Crowdsourcing-Initiativen werden die Historischen Grundwissenschaften auch zunehmenden digital und können so noch tiefergehend in den modernen digitalen Unterricht integriert werden.

Dieser Beitrag soll nicht als Abrechnung mit bisherigen Lehrkonzepten oder als «Besserwisserei» eines vormaligen Kursteilnehmers verstanden werden, sondern vielmehr auch als Diskussionsgrundlage diene, wie man an der einen oder anderen Stelle etwas anpassen oder verbessern kann, um einerseits die Vorbereitung eines Kurses gewinnbringend und zeitsparend zu gestalten und andererseits motivierend grundlegende Kenntnisse in der universitären Lehre zu dozieren. Genauso vielfältig wie die Welt der Quellen ist, sind auch die Möglichkeiten diese Quellen zu lesen und das dafür nötige Wissen zu vermitteln.