GALANTERIE & VERFLOSSENHEIT

Eine Ode auf den Euro – den Museumseuro

Nein. Der Anschein trügt. Dieser kurze Text soll nicht die prekäre Lage von Kultureinrichtungen unter die Lupe nehmen oder auf die Verteilung von Fördermitteln eingehen. Nein. Keine finanzwirtschaftliche Abhandlung. Im Zentrum steht ein kleiner, angenehmer Helfer für den Museums- oder Bibliotheksbesuch; ja, der eigentlich Schüssel zum Erlebnis.

Marc Eric Mitzscherling

15. April 2023﹒Dresden

Und der Tomatensauce sei dank. Denn seitdem insbesondere die Konservatoren der großen Museen die aufmerkamskeitsheischenden Klebe- und Spritzattacken diverser Klimagruppierungen fürchten müssen, ist es nun oftmals striktes Gebot, Taschen, Jacken und alles andere in der Garderobe zu verstauen. So auch in den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden denen ich vor kurzem einen neuerlichen Besuch abgestattet habe. Ganz neu ist dieses Reglement nun auch wieder nicht – schon lange galt die Faustregel «Je berühmter die Sammlung, desto kleiner die Tasche», die mit in die Ausstellung darf. Doch gerade die derzeitige Situation hat mich zu diesem Text gebracht.

Auch die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden fürchten den Tomatenterrorismus.

Denn wer mich kennt, der weiß um meine vollen Hosentaschen. Und eines darf dabei nicht fehlen. Der Museumseuro. Somit soll dieser Text gleichwohl eine Ode, wie auch inspirierende Gebrauchsanweisung für den Kulturgenießenden sein.

Beginnen wir mit dieser Buchstabenkette: SAFE-O-MAT®. Wenn ich diesen eingetragenen Markennamen hier so beinahe kontextlos fallen lassen, dürfte er doch bei dem ein oder anderen Assoziationen auslösen. Vielleicht nur im grauen Dunkel der Erinnerung; doch ich helfe gerne weiter und lichte den Nebel. Möglicherweise denkt man ans Schwimmbad, an die Umkleide, an feuchte Jacken oder fehlendes Kleingeld. Ich spreche von den Münzpfandschlössern der neueren Generation, die mittlerweile den Großteil von Spinden, Garderoben oder Schließschränken ausstaffieren.

Bei mir sind die ersten Gedankenbilder weniger die des ungeliebten Sport- bzw. Schwimmunterrichts, als vielmehr die vielen nachmittäglichen und nachschulischen Ausflüge ins Museum. Sooft, dass ich die 1-Euro-Münze irgendwann immer griffbereit in der Hosentasche hatte. Denn auch hier hat und hatte es in der Regel diese «Selbstbedienungsgarderobenschränke».

Zurück reicht diese Idee des Pfandschlosses in die 70er und 80er Jahre. Man kennt sie vielleicht noch vom Einkaufswagen; doch auch das hat sich seit Corona geändert. Wer keinen praktischen und Einkaufschip aus Plastic dabei hatte, musste eben – wenn auch nur temporär – zahlen. Die Technik wurde weitestgehend perfektioniert. Bessere Münzpfandschlösser als von SAFE-O-MAT® wird man wohl kaum finden, während beispielsweise die Schwimmbäder schon seit geraumer Zeit auf RFDI-Technik, also auf Schlösser, die sich mit einem Transponder öffnen lassen, umgestellt haben. Und auch die ersten Kultureinrichtungen, wie die Deutsche Nationalbibliothek in Leipzig ziehen nach – wenn hier auch eher gewollt statt gekonnt, wenn es gar einen eigenen Mitarbeiter braucht, der in das futuristisch anmutende Schließ- und Schranksystem einführt.

Bebildert erkennt man ihn doch, den SAFE-O-MAT®.

So habe ich diese Euromünze, der seit den ersten regelmäßigen Museumsbesuchen ein neues Zuhause in meiner Hosentasche gefunden hat, liebevoll den Museumseuro getauft. Auch wenn natürlich – zumindest in kultureller Hinsicht – nicht nur in Museen, sondern auch in Bibliotheken oder Archive ähnliche Schließfächer im Foyer oder vor den Arbeits- und Besuchsräumen zum Möblement zählen.

Und wie einem dieser Euro das Leben erleichtert: kein gestresstes Gesuche nach einer passenden Münze, keine vergessene oder verlorene Geldbörse – das Fehlen derselben kann man ganz entspannt nach dem Kulturgenuss feststellen und sich erst dann verrückt machen –, oder kein risikofreudiges münzloses Deponieren im Schließfach; was im Übrigen in größeren Einrichtungen mit viel Papierkram enden kann, wenn man seine Tasche oder Jacke wieder zurückbekommen möchte.

Und dann noch – natürlich nur theoretisch – der alleinige Fakt der geographischen Ausdehnung, des Kulturraumes, den man sich mit diesem einen einzigen Euro erschließen kann: die Eurozone umfasst derzeit 20 Ländern, darunter Museums- und Bibliothekshochburgen, wie Frankreich, Italien oder auch Österreich. Natürlich muss auch ich mit dieser Museumseuro-Philosophie eingestehen, ganz Europa, geschweige denn die Welt, kann man sich damit noch nicht «erschließen». Man muss nicht weit fahren und steht schon in der Schweiz oder auch in Liechtenstein vor dem Problem, dass es ein Zwei-Franken-Stück als Depot braucht. Und um nun alle zentralen Währungen der Welt im Hosensack zu verstauen; dafür reicht gewiss der Platz nicht aus.

So muss auch ich mir eingestehen: den Stein der Weisen hat man damit nicht gefunden. Der wahre Kulturkönner muss zusätzlich noch für die ein oder anderen Pfennigfuchser- oder «hinterwäldlerischen» Institutionen auch immer ein kleines, mehr symbolisches denn sicheres Schlösschen im Portemonnaie mitführen, um seine Habseligkeiten für die Dauer des Besuches sicher zu verwahren und anderswo braucht oder hat es nicht einmal ein Schließfach.

Wer solche menschenleeren Fotos schießen will, muss schnell sein (oder die richtige Zeit abpassen). Am besten geht das mit dem Museumseuro.

Und dennoch, der Euro wiegt nicht viel – gerade einmal 7,50 g –, nimmt nicht viel Platz und erleichtert doch den Besuch der Kultureinrichtung der Wahl. Insbesondere von Vorteil ist diese Art der Präparierung, wenn an einem Samstagvormittag bei schlechtem Wetter die Massen mehr oder weniger Interessierter aus aller Welt sehnsüchtig – oder weniger sehnsüchtig – das Öffnen der Museumsportale erwarten, um – bewaffnet mit Online-Ticket und jeder Menge an Regenschutzkleidung – die Garderobe zu stürmen. Wie sehr rentiert es sich dann, ausgerüstet mit Euro und Jahreskarte gemütlich den Mantel in den Schließschrank zu hängen, das schlechte Wetter, Wetter sein zu lassen und sich ganz der Kunst und Kultur hinzugeben. Für Sie getestet und für gut befunden.