GALANTERIE & VERFLOSSENHEIT

Kindskopf

Eine Kurzgeschichte über die Maske des Erwachsenseins. Oder ist im Leben doch alles nicht so plastisch gemimt?

Marc Eric Mitzscherling

06. August 2024﹒Wien/Mödling

Nein! Diesmal nicht. Er stoppte, bevor es zu spät war. Schaltete den Fernseher aus und legte die Fernbedienung beiseite. Nicht noch einen Abend den er unglücklich durchs sagenhaft schlechte Abendprogramm zappte, um sich dann grübelnd, oft kopfschüttelnd und ganz sicher unzufrieden ins Bett zu legen. Dieses mal griff er durch, klemmte sich zwei Polster unter den Arm und verzog sich in seinen Ohrensessel. Es war Zeit zum Nachdenken. Und das ging nirgends besser, als in seinem Sessel mit Blick durch die rahmenlose Fensterfront in den dunklen, regengrünen Garten. Elfriede, seine Frau — wobei, genau genommen war sie das nun nicht mehr —, seine vormalige Gattin also, hatte damals vehement Einspruch erhoben. Zu groß, zu teuer; und sie würde die Scheiben ganz sicher nicht putzen.

Angefangen hatte das Abrakadabra vor wenigen Wochen. Oder, wenn er recht überlegte, ging alles schon viel länger und war nur ein letztes Mal bis zum Überlaufen heiß gekocht worden. Ein letztes Mal. Sicherlich war die Situation auch ihrer beider Pensionierung geschuldet. Es hatte viel Zeit gegeben, vielmehr Zeit als vorher und es fragte sich, was tun mit der vielen Zeit. Mit der vielen Zeit und dem vielen Geld, das sie nun hatten. Und da hatten sich zwei Wege aufgetan; wenn er sich ein Bild im Kopf dachte, eher das zweier Gleise ohne Weiche: Sie wollte gesellschaftlich vorn an bleiben, nicht mit Beschäftigungen und kleinen Reisen ins Nirgendwo verrotten, wie sie es nannte. Sie wollte Leben – und gestikulierte dabei immer wie eine Operndiva. Leben und gelebt werden. Denn das Geld hatten sie ja. Nun war nichts zu teuer. Nur zu unseriös, zu wenig luxuriös. Zu wenig das, was ihre Bekannte von Tayllerand oder Hinterstetters von schräg gegenüber taten. Und er? Ja, er wollte auch reisen, auch das Leben genießen. Aber in aller Ruhe und nicht weil irgendwelche Nachbarn auf irgendeinen Entwurf von Leben schworen.
Für die erste Kreuzfahrt hatte er sich noch begeistern können. Beim Spa-Urlaub irgendwo in der Schweiz erlebte er erstaunt, was mit viel Geld alles gekauft werden könne. Bei der zweiten Kreuzfahrt passte er: keine weiteren Wochen auf dem Meer. Lange verrotteten sie tatsächlich schweigend Daheim, ehe sie sich gekonnt dramatisch lossagte, die Scheidung einreichte, und mit genug Devisen von dannen zog. Das war nun noch keine drei Wochen her. Er hatte den Eindruck für Sie war das wie ein Ticket in die erste Klasse: Tun und machen was man will, Freiheit und viel Geld. Das Leben der Schönen und Reichen. Dazugehören und sich feiern als die Generation, die es nun geschafft hatte. Sich den Wohlstand verdient hat. Er hatte das immer Champagner-Rente genannt. Aber gut.

Natürlich, es war anfangs schwer gewesen. Die Trennung, die Einsamkeit zu Hause. Er lauschte und hörte nur das hallende Ticken der Uhr aus der Küche. Die Regentropfen an der Scheibe und auf den Blättern im Garten. Andererseits war es ihm auch zunehmend schwer in der Beziehung gefallen. Hatte sich gefragt, was sie noch verband. Viele Dinge an ihr hatten ihn mehr gestört, als dass sie ihn an die bezaubernde junge Frau von damals erinnerten. Das aufgesetzte Lachen zum Beispiel. Inhaltsschwere Konversationen wurden tunlichst umschifft, sofern sie nicht wertend waren oder den eigenen Status hervorhoben.
Nun gut, das alles gehörte auch zu einer Welt in der er sich einst wohlgefühlt hatte. In der sie sich wohlgefühlt hatten. Im Theater. Vor und vor allem hinter der Bühne. Angefangen hatte er als Inspizient, später dann sogar – bis zum Ende nun – als Regisseur. Sie anfangs als bildhübsches Fräulein an der Abendkasse und zuletzt, mit der neuen Intendanz, als Head of Customer Service, oder so ähnlich. Und dort hatten diese gesellschaftliche Maskeraden einfach zum Sein dazu gehört. Das Aufgetakelte und Ausladende. Und sei es nur gekünstelt. Die Maskerade einer ewigen Premierenfeier. Nebenbei bemerkt, ein Anlass, den er persönlich lieber früher als später verließ. Aber gut. Man – und auch frau – wollte feiern und, noch viel mehr, gefeiert werden.

Das gleiche Bild sah er und erlebte er immer noch: Wenn er nicht, wie heute, im Ohrensessel, sondern vorm Fernseher saß und sich eine Talkshow nach der anderen antat. Scheinbar das Format der Zeit. Man saß im Studio, in breiten Polstern, im Wirtshaus oder unter Schirmen auf der Wiese. Zuletzt gar im Wald. Die Gäste, das Publikum, eigentlich alle, gaben sich mondän, gaben sich wissend, besserwissend, despektierlich den anderen gegenüber und vor allem erwachsen. Vorn an das aufgesetzte Sprechen: Es wurde aus fern erinnerten Wortschätzen und einer Sprache, die ihm sonst nur in Schreiben vom Landratsamt und in der Tagesschau begegnete, ein buntes und doch schon beim Aussprechen verblühtes Potpourris an Wörtern zusammengeklaubt, immer in der Hoffnung, die Brisanz des vorgetragenen, vermeintlichen Fakts zu unterstreichen, eine überzogene Meinung herauszustellen. Fakt, was war das eigentlich?

Er setze sich auf, zog das zweite Polster hinter dem Rücken vor und warf es neben sich auf den Boden. Das hatte nur gestört. Zwar gingen seine Überlegungen in eine andere Richtung als geplant, aber eine unterhaltsame Abendbeschäftigung allemal. Dieses Erwachsensein. All die Menschen im Fernsehen waren erwachsene Menschen, und von dieser Position und scheinbar dem bloßen Alter her immens wichtig. Wichtigtuerisch. Die gleichen Erwachsenen, die nach der Sendung mit ihren Wertpapieren an der Börse weiterspielen würden, in die U-Bahn stürmten, Angst der Letzte und ohne Sitzplatz für die nächsten drei Minuten zu werden oder mit unglaublichem Elan Wikinger-Dörfer in virtuellen Welten pflanzten. Ein Kollege von ihm war ganz vernarrt in diese App, war dort Häuptling eines Stammes. Er selbst hatte ihn damit immer aufgezogen, konnte den Ernst des Ganzen nie nachvollziehen. Ein erwachsener Mensch!
Wenn er sich so bei Denken zuhörte, meinte er fast den Eindruck zu bekommen, mit der Gesellschaft abgeschlossen zu haben. Ganz so arg war es natürlich nicht. Aber es fiel ihm immer öfter auf. Und, es passte eindeutig zu Elfriede und ihrem Gehabe.
Die geborene Prinzessin einst, später die Grand Dame hinter den Kulissen des Theaters. Es gab eine schöne Fotografie in einem der Alben, wo sie in weißen Tüll gehüllt und mit Krönchen auf dem Kopf nun schon vor sehr langer Zeit als Prinzessin durch die elterliche Wohnung schwebte. Die Alben hatte sie sicherlich vergessen mitzunehmen. Er würde morgen einmal einen Blick in die Kartons oben im Balkonzimmer werfen.
Auch er, der kleine Hans-Peter, war einst stolz in seinem Kaufmannsladen gestanden. Hatte seine Eltern Schönes aus einem Sortiment an Holzobst und leeren Glasflaschen wählen lassen. Spaß hatte es gemacht, wenn er so zurückdachte. Einzig, wenn er nicht ernst genommen wurde, das Spiel als Spiel enthüllt, machte es keine Freude mehr. Seine Eltern verstanden den kindlichen Ernst der Situation nicht. Erschreckend oft hatte er diesen kleinen Hans-Peter später auf der Arbeit gesehen, in der Straßenbahn, oder eben auch im Fernsehen. Wichtige Erwachsene und ihre Spielzeuge. Menschen, die sich nicht eingestehen konnten, noch die Kinder von damals zu sein. Nur körperlich gealtert waren. Das einzige, was sich geändert hatte, war die Maske, die sie sich angelegt hatten. An dem Tag, an dem Sie sich gesagt hatten, erwachsen zu sein, wichtig zu sein, oder von nun an Verantwortung zu tragen.

Auch der dann schon adoleszente Hans-Peter hatte diesen Tag gefeiert. Der zwölfte Mai. Der achtzehnte Geburtstag. Er war erwachsen geworden. Dachte die Welt läge ihm zu Füßen und er wäre bereit, Verantwortung zu übernehmen. Das Leben belehrte ihn rasch eines Besseren. Heute mit einem inneren Lächeln auf den Lippen mussste er an den touchierten Lattenzaun, das plattgefahrene Dahlien-Beet und die rauchende Simme denken. Gott sei dank fuhren die Dinger nicht so schnell, wie er sich damals noch erträumte.
Er hatte nichts dagegen, dass auch ältere Menschen mit Geld oder nur mit Lego spielten oder andere, vermeintlich kindliche Dinge taten. Das war es nicht. Was ihn störte war der Ernst der oft damit verbunden war. Das man nicht zum eigenen inneren Kind stand. Eher mit einem errötenden «weißt eh» die Sache abtat, oder eben alles mit dem nötigen erwachsenen Ernst untermauerte. Und so viele große Liedermacher hatten Kinder und das Kindsein besungen. Er hatte versucht sich sein inneres Kind zu bewahren. Hatten ihn die anderen belächelt, er genoß es manchen Sommer mit Pippi Langstrumpf oder Mathilda zu verbringen. Schöne Erinnerungen hingen an den Büchern. Und zudem verlor er damit nicht die kindliche Perspektive auf das sonst augenscheinlich so komplizierte Leben. Diese kindliche Perspektive, die man unzweifelhaft hatte. Wenn man sich diese voll und ganz eingestand, konnte sie das Leben unbeschwerter werden lassen.

Das erschien ihm nun alles etwas einfach; dieser Gedankengang. Er stand auf und ging in die Küche. Wenn sich auch der ein oder andere Erwachsene komisch verhielt oder kindlich agierte, irgendwie war ja doch erwachsen. Also in einem pseudo-etymologischen Sinne, dass etwas aus dem einstigen Kind gewachsen war. Man machte die Steuererklärung, konnte lange Fachtexte lesen oder sich in Situationen angemessen verhalten. Ein Kind könnte das nicht. Also natürlich aus der Perspektive einer Gesellschaft mit ihren Konventionen.
Im Kühlschrank stand noch eine halbe falsche Rotwein. Nein, danach fühlte er sich heute nicht. Schnell ging er in den Keller und holte eine von den guten Flaschen Apfelsaft. Den mit den Äpfeln aus dem letzten Herbst, die sie immer einem Freund mitgegeben hatten, der dann Tage später mit einer Kiste Flaschen zurückgekommen war. Zurück im Flur, löschte er das Licht im Keller und da kam ihm die Erleuchtung. Er mochte solche Wortwitze. Also die Idee der fehlenden Ergänzung seiner Überlegungen: Das, was man allgemein erwachsen nannte, war nichts weiter als einerseits der gealterte Köper. Ohne Zweifel. Andererseits die reifere Perspektive, die man mit zunehmend Erlebten fähig war einzunehmen. Die Erfahrungen, die man im Laufe eines Lebens sammelte: Neben dem inneren Kind, das durch die eigene oder gesellschaftliche Maskerade an der Entwicklung gehindert werden konnte, oder eben gehegt und gepflegt wurde, wuchs diese Perspektive. Früher hatte der kleine oder auch schon größere Hans-Peter seine Eltern um Rat gefragt: Solle er die Stelle annehmen oder weiter suchen. Solle er dies kaufen oder was sie von jener Idee hielten. Später hatten seine Kinder ihn um Rat gefragt. Und konnte er sich als junger Mann noch nicht vorstellen, später einmal die gleichen ausgewogenen und weitsichtigen Ratschläge, wie seine Eltern zu geben, so beantwortete er die Fragen seiner eigenen Kinder Jahre später mit erstaunlicher Leichtigkeit und Selbstsicherheit.

Mit einem großen Glas Apfelsaft zurück, saß er wieder in seinem Sessel. Nun erschien im seine Argumentation gar nicht mehr so einseitig. Es gab das innere Kind und es gab die reifende Hülle, wenn man so wollte. Und über alles konnte man diese Maske legen, die dann vorgab, eine weiter gereifte Hülle zu sein. Eben das, was man auch im Fernsehen unter Umständen als ausgewachsenes Exemplar eines Menschen bestaunen durfte. Nun gut. Er sollte nicht so polemisch daherreden. Eher war es schade, dass andere nicht auf die Idee kamen oder sich nicht die nötige Zeit nahmen, sich mit sich selbst und der werdenden Reife auseinandersetzen. Unwillkürlich dachte er an die halbstarken kleinen Brüder von großen Geschwistern, die im Viertel am Bahnhof um die Blöcke zogen und sicherlich irgendwelchen gerappten Idealen nachlebten, ohne die Entwicklung dorthin tatsächlich zu durchleben.
Man kann auch ein anderes Bild der Reife zeichnen: Ein Apfel wurde auch nicht plötzlich rot, weil irgendein Tag, weil — weil der 15. August war. Vielmehr braucht er gar ein reichliches halbes Jahr, um zu wachsen, Tage voller Sonne, um zu reifen. Reife. Zwar hatte das Wort auch einen etwas schulmeisterlichen Anklang, doch drückte es am besten den Umstand der Dinge aus. Ein Apfel konnte nicht beschließen, von jetzt auf gleich reif sein zu sollen. Wie auch der gewachsene Mensch selbes nicht von sich behaupten kann. Ein Apfel konnte auch nicht plötzlich reif sein, weil alle seine Astgenossen es schon waren. Jeder braucht seine Zeit, braucht seine Erfahrungen, seinen Platz an der Sonne. Gut, dieses Bild konnte auch anderen Assoziationen hervorrufen und passte wohl besser nur zum Apfel.
An der Scheibe lebte das Netz aus Schlieren und schweren Tropfen neu auf, als der Regen wieder zunahm. Für einen reifenden Apfel im Spätsommer kein guter Tag. Ein sonnenloser Abend. Er schmunzelte: er und seine Äpfel. Aber das Bild gefiel ihm.

Am Ende ging es doch einfach nur darum, sich seine Kindlichkeit offen einzugestehen und, noch viel wichtiger, sie sich zu bewahren. Kein schnöseliges Gehabe, kein Auftrumpfen mit gemimter Selbstsicherheit. Ehrlich zu sich selbst und den anderen sein. Erwachsen konnte man doch nur werden, wenn man das ganze Leben von vorn bis hinten lebte. Sich entwickelte. Sich vor allem Zeit gab. Und nicht nur die Rosinen herauspickte und den Rest mit einer dicken Schicht Schminke kaschierte.
Wieder musste er an Elfriede denken. Mit ihr hätte er gar nicht über so etwas debattieren können. Sie hätte ihr nur mit spitzen Mundwinkeln angeschaut und das «innere Kind» mit einer krausen Stirn kommentiert. Sie war und blieb mit pseudo-essentiellem Ernst vermeintlich im Leben verwurzelt. Ob solche Menschen, wie Elfriede, mit sich selber zufrieden waren? Oder ob sie auf ihrer Jagd nach dem Schöneren, Wichtigeren, Teureren sich selbst ganz verloren und nur noch diese aus äußeren Erwartungshaltungen zusammengeklebte Hülle waren. Eine Hülle in der sich letztlich ein ungezähmtes Kind durch die Welt boxte? Nun ja, nicht sein Leben. Also doch schon, ihn tangierte ja das Miteinander mit anderen Menschen durchaus. Aber das Leben von Elfriede sollte ihn nicht mehr interessieren.

Wenn er so überlegte tat es ihm eigentlich leid, wenn jemand aus Konformitätsdruck etwa oder aus eigenen überzogenen Ansprüchen heraus nicht die Möglichkeit gehabt hatte, dem inneren Kind eine ehrliche Chance zu geben und so gleichzeitig auch der Lebenszeit, mit neuen und wichtigen Erfahrungen aufzuwarten. Noch schlimmer, wenn manch einer diesen Umstand später erkannte und dann im psychologischen Zwiegespräch Probleme von vor X Jahren abarbeitet, um wieder in eine ausgeglichenere Form des Daseins zu gelangen.
Manch einer aber würde, so viel ist sicher, die Maske gesellschaftlicher Konvention und geplantem Erwachsenseins erbarmungslos bis ins hohe Alter tragen. Kindliche Träume waren unter der Hülle erstickt oder wurden unglücklich, wurden vielleicht auch halbherzig in die Tat umgesetzt, ohne zu Größerem oder Reiferem entwickelt worden zu sein. Irgendwann lassen dann die körperlichen Kräfte nach, die Maske wird zu schwer weiter getragen zu werden. Und sie fällt. Manche werden fahrig, manche albern, einige unkontrolliert. Oder, wie der Volksmund dann sagt: die Kinder, werden wieder zu Kindern. Nur, dass sie zwischenzeitlich nichts anderen waren, als das junge Kind, dass eines Tages beschloss keines mehr zu sein und dennoch eines blieb.

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Er hatte die Nacht gut geschlafen. Gestern hatte er sein Philosophieren noch mit ein wenig Musik ausklingen lassen. Sibelius, die Karelia-Suite. Er hatte da eine wunderbare Aufnahme. Musik die zugleich schwer und doch leicht war. Genau das Richtige für einen verregneten Spätsommerabend im Grübelgestühl. Lange hatte er noch dagesessen und ins schattierte Blau-Schwarz des Gartens geblickt.

Noch im Bademantel ging er hinaus und vor zum Tor, um nach der Post zu sehen. Heute am Morgen lag nur noch leichter Sprühregen in der Luft und eine graue, milchige Sonne lieferte einen ersten Vorgeschmack auf die wohl tropischen Verhältnisse am Mittag. Die Vorstellung an einen weiteren Gewitterabend im Sessel vorm Fenster bereitete ihm jetzt schon Vorfreude. Mal sehen, was der Wetterbericht in der Zeitung sagen würde.
Neben der erwarteten Zeitung fand sich eine unerwartete Postkarte. Ein albern schrilles Motiv mit einem Cocktailbecher vor einem weißen Sandstrand. Dahinter das türkisfarbene Meer. Gekrönt wurde dieses Kitsch-Ensemble von einer Kussmundgrafik. Er drehte die Karte um. Sie war von Elfriede. Sie gab in lieblos abgehobenem Ton ein Lebenszeichen, wie sie es nannte. Ihr ginge es gut. In Hamburg hätte Sie jemanden kennengelernt, einen Architekten, einen wirklich galanten Mann mit dem sie jetzt nach Cannes gefahren sei. Champagner-Rentner unter sich, ging es ihm durch den Kopf.
Er zog den Schlüssel vom Briefkasten und ging zurück zum Haus. Nein, es hatte sich auch nach drei Wochen nichts geändert. Die Konversation bleib genauso inhaltsleer, wie vorher. Gott sei dank war keine Absendeadresse angegeben. So musste er sich nicht vor einer Antwort drücken und das Geplänkel blieb einseitig.

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